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Netflix? - Verflixt! - Is nix!

Heute Morgen um 6.45 Uhr flatterte mir bereits eine E-Mail von Netflix ins Haus, die besagte, dass Netflix jetzt in Deutschland gestartet ist und ich ab sofort doch diesen tollen Dienst abonnieren kann. Na ja, so eilig habe ich es eigentlich nicht.

Im Laufe des Tages packt mich dann doch die Neugier. Also einfach mal auf die Homepage von Netflix gesurft, um herauszufinden, was sie denn so im Angebot haben. Die erste Enttäuschung! Netflix verrät nichts auf seiner Homepage. Informationen gibt man nur gegen ein paar persönliche Daten inklusive Finanzinformation frei. Sprich: Ich soll gefälligst ein Benutzerkonto anlegen, ehe man mir mitteilt, was für Serien und Filme sie denn so im Angebot haben. 

In Ordnung, gebe ich der Erpressung, ähm, Aufforderung nach und lege ein Benutzerkonto an. Der erste Monat ist ja schließlich kostenlos.

Also meine E-Mail eingetippt, mir von 1Password ein schönes, kompliziertes, nur sehr schwer zu knackendes Kennwort generieren lassen und ins Formular eingegeben. Damit ist die erste Hürde gemeistert. Doch Netflix ist sich offensichtlich bewusst, dass man die Messlatte nicht auf diesem niedrigen Niveau liegen lassen darf. Obwohl der erste Monat kostenlos ist, will Netflix schon meine Finanzdaten: entweder meine Kreditkarte oder meine IBAN, damit sie von meinem Girokonto abbuchen können, oder meine Paypal-Daten.  Warum man für einen kostenlosen Probemonat bereits meine Finanzdaten benötigt, erschließt sich mir nicht. Andere Firmen wie z.B. lynda.com oder squarespace.com kommen bei ihren Probeaktionen immer ohne meine Finanzdaten aus. Darum verstehe ich nicht, warum das bei Netflix nicht auch geht. Na ja, ich habe da schon eine Idee, aber die ist nicht schmeichelhaft für Firmen wie Netflix und Co. Da ich also ohne Eingabe von Finanzdaten nicht weiterkomme, beiße ich in den sauren Apfel und überlege mir, welche Zahlungsart ich denn bevorzuge.

Nun ja, Paypal benutze ich immer nur im absoluten Notfall, im Rechtsdeutsch würde man wohl sagen: wenn man mich dazu nötigt. Kreditkarte ist auch nicht mein Lieblingszahlungsmittel, aber IBAN gefällt mir. Also Vor- und Nachname eingetragen, Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Wohnort. Dann die EC-Karte gezückt und die IBAN sorgfältig abgetippt. So fertig! Um Tippfehler zu vermeiden, vergleiche ich noch einmal Ziffer für Ziffer meine IBAN mit meiner Eingabe. 100 % Übereinstimmung! Aber nach der alten Physikerregel "Einmal ist kein mal, zweimal ist immer" beschließe ich, alles noch einmal zu überprüfen. Wieder meldet mein Gehirn: 100 % Übereinstimmung! Also gut, jetzt noch das Kleingedruckte lesen (dazu später mehr) und dann das Formular abschicken.

Hoppla! Ich habe mich wohl doch vertippt. Das System meldet, dass die Überprüfung meiner Daten fehlgeschlagen ist und ich doch die Daten erneut eingeben oder mich an meine Bank wenden solle. Hm, also alle Daten außer Vor- und Nachnamen erneut eingeben. Denn diese beide Daten hatte sich der Computer gemerkt. Erneut die IBAN Ziffer für Ziffer prüfen. Dieses Mal sogar dreimal. Jedes Mal lautet die Diagnose: 100 % Übereinstimmung! Kein Fehler! Also erneut das Formular absenden. 

Während ich die Daten erneut eingegeben habe, hatte sich bereits die Schufa per SMS gemeldet. Netflix hat eine Abfrage gestartet. Ja, das hatte ich im Kleingedruckten gelesen. Netflix prüft meine Daten bei der Schufa ab, macht aber angeblich keine Bonitätsabfrage. Das hatte mich schon gewundert. 

Was mich jetzt schon fast nicht mehr wundert, ist die Fehlermeldung auf dem Bildschirm meines iPads: Die eingegebenen Daten konnten nicht verifiziert werden. Geben Sie die korrekten Daten ein oder wenden Sie sich an Ihre Bank.

Bevor ich meine Daten erneut eingebe, schaue ich bei der Schufa nach, was Netflix da abgefragt hatte. Aber mehr als "Rückfrage" als Grund verrät mir die Schufa nicht. Das hilft auch nicht weiter. Eine zweite SMS informiert mich, dass die Schufa eine weitere Anfrage von Netflix erhalten hat.

Also alle Daten jetzt erneut eingegeben, vielfach überprüft und erneut abgeschickt.  Wieder erhalte ich dieselbe Fehlermeldung. Aber ich bin ja stur. Auf ein Neues! Dieses Mal generiert Netflix eine neue Fehlermeldung: Ihre Anfrage konnte nicht bearbeitet werden; bitte versuchen Sie es später erneut. Darüber, was später bedeutet, schweigt sich Netflix aus.

Also auf der Homepage von Netflix nach einer Telefonnummer gesucht, um dort anzurufen. Schön, es gibt eine 0800-Nummer. Die ist für mich kostenlos, kostet aber den Angerufenen Geld, besonders wenn ich vom Handy aus anrufe. Das freut mich.

Da ich aber mit Callcentern schon jahrelange Erfahrung habe, weiß ich, dass man mich als Erstes an meine Bank verweisen wird. Dort wird die Ursache all meiner Probleme liegen. Hat doch der Computer immer wieder behauptet. Und darum muss es wahr sein. Ich glaube es zwar nicht. Aber damit ich nicht gleich aus dem Callcenter gekickt werde, spiele ich das Spiel des Computers sicherheitshalber mit und rufe meine Bank an. Dort wird mir bestätigt, dass meine EC-Karte und meine Kreditkarte in Ordnung und freigeschaltet sind. Weit und breit keine Sperre in Sicht - und auch keine Anfrage von Netflix in den Computersystemen der Bank. Die Kundenbetreuerin muss grinsen, als ich ihr erzähle, warum ich anrufe und all diese Punkte abfrage. Weiß sie vielleicht mehr? 

Jetzt rufe ich bei Netflix an. Ein junger Mann namens Niklas begrüßt mich. Ich erkläre ihm mein Problem und weise ihn gleich daraufhin, dass meine IBAN richtig ist, dass meine EC-Karte freigeschaltet ist und dass meine Bank mir all das bestätigt hat. Aus seiner Reaktion merke ich, dass der erste Punkt an mich geht. Denn die Luft auf seiner Seite ist raus. Genau das hatte er mir wohl als Erstes sagen wollen. Ist ja auch die einfachste Lösung, wenn man es auf die Bank schieben kann. Jetzt muss er in seinen Computer gucken. Denn nur der hat ja die glücklich machenden Antworten. Nur der darf ja entscheiden, was Niklas mir als nächstes sagt. Ja, es könnte da vielleicht Probleme bei der Schufaabfrage geben. Genial! Wieder jemand, auf den Netflix die Schuld für das eigene Versagen abschieben kann. Ich widerspreche heftig, dass die Schufa für den Murks verantwortlich sein soll, weise darauf hin, dass mich die Schufa bereits über die Netflix-Abfragen informiert hat. Ja, meint Niklas, vielleicht seien meine Bankdaten bei der Schufa falsch. Hm, ich frage mich, warum man die Schufa nach meinen Bankdaten fragt. Ich frage ja auch nicht meinen Bäcker, ob der Metzger nebenan Kaminwurzen hat. Netflix würde das vermutlich tun und sich dann wundern, dass der Bäcker das nicht weiß. Ich behaupte jedenfalls, dass meine Schufa-Daten 1a gepflegt und richtig sind. Hm, meint Niklas, bei welcher Bank ich denn mein Konto habe; vielleicht arbeite die ja nicht mit der Schufa zusammen. Jetzt bin ich platt. Ich weiß nicht, ob ich mich vor Lachen auf dem Boden hin und her rollen oder ob ich einen Schrei- und Weinkrampf bekommen soll. Hat Niklas das wirklich gesagt? Kann es das tatsächlich geben? Eine Bank, die nicht mit der Schufa zusammenarbeitet? Ich fasse mich wieder und erkläre Niklas, dass meine Bank sehr wohl mit der Schufa zusammenarbeitet, dass ich erst im Dezember 2013 dort mein Girokonto eröffnet habe und dass die Schufa auch zwei Bonitätsanfragen meiner Bank für den Dezember 2013 aufweist. Treffer! Versenkt! Wieder habe ich einen Dritten, auf den Netflix die Schuld für das eigene Versagen hätte abwälzen können, aus dem Spiel genommen. Mal sehen, wie es weitergeht. 

Niklas bittet mich, in der Leitung zu bleiben, um Rückfrage mit einem Kollegen halten zu können. Ok. Er spielt mir dann mal Musik ein. Hm, das hätte er besser nicht getan. Dieses Gedüdel geht mir auf die Nerven. Also mal etwas ablenken. Schnell noch mal die Schufa online aufgerufen und geprüft, ob meine Daten dort tatsächlich korrekt sind, ob dort tatsächlich meine Bankdaten hinterlegt sind. Ok. Passt alles. Die Schufa hat meine Adresse und meine Bankddaten absolut korrekt gespeichert. Das Ergebnis der Netflix-Abfrage kann also nur positiv gewesen sein. 

Die Musik dudelt weiter. Hoffentlich kommt Niklas bald zurück. Die Musik hört auf. Es wird still. Es bleibt still. Ich unterdrücke den Drang, durch ein fragendes "Hallo" die Stille zu durchbrechen. Ah, eine Stimme! Niklas meldet sich zurück. Er hat das Ganze an seine Chefs eskaliert. Man kümmert sich darum und untersucht der Fall. Er kann aber gar nichts tun. Ich müsse 24 Stunden warten. Dann werde die Systemsperre automatisch entfernt. Was lernen wir daraus? Mit der vierten Eingabe hat das System mich offensichtlich gesperrt. Das war wohl mit "Wir können ihre Anfrage im Moment nicht bearbeiten" gemeint. Und "Versuchen Sie es später noch einmal" hätte wohl heißen sollen "Versuchen Sie es nach Ablauf von 24 Stunden noch einmal". Nur, warum sagt man das dann nicht auch so? Und Niklas hat natürlich keine Möglichkeit, die Sperre manuell zu entfernen. Hatte ich mir schon gedacht. Er schlägt deshalb vor, ich könne ja ein neues Benutzerkonto anlegen, wenn ich nicht 24 Stunden warten wolle. Und dann sollte ich natürlich möglichst ein anderes Zahlungsmittel eingeben, sofern ich über eine alternative Zahlungsmethode verfüge. Ich erkläre ihm, dass ich im Moment weder vorhabe, ein zweites Benutzerkonto anzulegen, noch überhaupt Mitglied bei Netflix zu werden, da mir diese Nummer einfach zu peinlich ist. So ein simpler Fehler hätte spätestens beim Betatest auffallen müssen. Auch seine Ausrede, das wäre doch ihr erster Tag in Deutschland, lasse ich nicht gelten und weise darauf hin, dass ihre Mitbewerber das ja auch geschafft haben und dass es Unsinn sei, Zahlungsdaten für einen kostenlosen Probemonat zu verlangen. Niklas versucht, sich bzw. Netflix weiter aus der Affäre zu ziehen. Jeder Versuch schlägt fehl. Dann meint er noch, dass er nicht garantieren kann, dass der Fehler mit der IBAN noch heute korrigiert wird, obwohl neben ihm ein Kollege aus Amerika sitze, der schon fieberhaft an der Fehlersuche und -behebung arbeitet. Ich weise ihn darauf hin, dass es mir ohnehin nichts brächte, wenn der Fehler heute noch korrigiert würde. Mein Benutzerkonto ist ja ohnehin noch gut 23 Stunden gesperrt. Mir tut allerdings der arme Niklas leid, der den Mist, den Management und Softwareentwickler verzapft haben, zusammen mit seinen Kolleg(inn)en ausbaden muss. Dabei kann er überhaupt nichts für diesen Fehlstart, den Netflix hier hinlegt.

So viel zu dem Einstieg von Netflix in den deutschen Markt. Ein gelungener Ausrutscher. Und ich werde die von Netflix verordnete Auszeit als Bedenkzeit nutzen, ob ich denn Kunde eines solchen Anbieters werden will. Wer weiß, was die mit meinen Daten machen, wenn sie es nicht einmal schaffen, die richtigen Anfragen bei der Schufa oder meiner Bank zu stellen oder die Antworten von dort nicht verstehen. 

Ich denke, ich werde zumindest morgen noch einmal versuchen, meine IBAN einzugeben, sobald Netflix die Sperre aufgehoben hat. Ich will einfach wissen, ob die das auf die Reihe kriegen. Und vielleicht probiere ich alternativ dann mal meine Kreditkarte aus und hoffe auf neue, kreative Fehlermeldungen.