Was ist der "Withings Pulse"?
Der "Withings Pulse" ist ein 8 Gramm leichtes Gadget, welches zurückgelegte Schritte und Höhenmeter erfasst, den Puls misst, Kalorien errechnet, den Schlaf "überwacht" und die Uhrzeit anzeigt. Er kostet zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels 99,95 EUR.
Man kann ihn in der Hosentasche tragen oder mit dem beigefügten Gummiclip an der Kleidung befestigen. Für die Schlafüberwachung gibt es ein extra Armband, in das man den "Withings Pulse" verstaut und dann wie eine Uhr am Handgelenk trägt.
Wie benutzt man den "Withings Pulse"?
Die Messung des Pulses erfolgt optisch. Dazu hat der "Withings Pulse" auf seiner Rückseite einen optischen Sensor, neben dem sich zwei kleine Leuchtdioden befinden. Withings nennt dies einen optoelektronischen Sensor.
Meine Schritte und sonstigen Bewegungen sowie das Bewältigen von Höhenmetern misst der "Withings Pulse" mittels eines "hochpräzisen MEMS 3-axis-Beschleunigungssensor"; so steht es zumindest auf der Homepage von Withings.
Der "Withings Pulse" wird mittels eines einzigen Knopfes sowie mit seinem "Touchscreen" bedient. Jeder Knopfdruck schaltet um eine Funktion weiter:
- Anzeige der am Tag zurückgelegten Schritte
- Anzeige der am Tag überwundenen Höhenmeter
- Anzeige der aus der Schrittzahl berechneten Kilometer
- Anzeige der verbrauchten Kalorien
- Anzeige eines Herz- und eines Mondsymbols
- Anzeige von Uhrzeit, Akkuladung und (eingegebener) Name des Nutzers
Tippt man bei 4. das Herz an, so schaltet sich der optoelektronische Sensor auf der Rückseite ein, die Leuchtdioden beginnen zu leuchten und die Bildschirmanzeige fordert einen mit "place finger" auf, die Messung durch Auflegen des Fingers auf Sensor und Leuchtdioden zu starten.
Tippt man bei 4. auf das Mondsymbol und streicht danach von rechts nach links über den "Touchscreen", so wird der Schlafmodus aktiviert, was mit einem freundlichen "Good night!" quittiert wird. Jetzt kann man den "Withings Pulse" in das Armband stecken, selbiges an seinem Handgelenk befestigen und sich schlafen legen.
Wenn man am Morgen aufwacht, nimmt man den "Withings Pulse" aus dem Armband, tippt den Button zweimal an, fährt mit dem Finger auf dem "Touchscreen" von links nach rechts. Das beendet den Schlafmodus, und der "Withings Pulse" begrüßt einen mit einem freundlichen "Morning!".
Meine Erfahrungen
Die ersten Erfahrungen sind zunächst gut. Der Puls wird gut gemessen, stimmt mit anderen Messgeräten oder meiner persönlichen Pulsmessung mit dem Finger überein. Auch die Anzahl der Schritte scheint plausibel zu sein. Die Messung der Höhenmeter scheint auch im üblichen Rahmen zu sein. Die Kilometer- und Kalorieangaben interessieren mich nicht. Daher beachte ich sie nicht weiter. Aus meinem Gewicht und meiner Körpergröße können ohnehin die wenigsten Fitness-Gadgets meine wahre Schrittlänge berechnen. Mich interessiert vielmehr, wie viele Schritte ich pro Tag schaffe und wie mein Puls zu verschiedenen Tageszeiten sich verhält, z.B. in absoluter Ruhe, d.h. noch vor dem Aufstehen, während eines Spaziergangs mit flottem Schritt oder in Ruhe vor meinem Computer.
Doch schon nach 2 Tagen zeigt sich ein erstes Problem: Direkt nach dem Aufwachen beende ich die Schlafüberwachung und versuche noch im Bett liegend, meinen Ruhepuls zu messen. Leider scheitert das. Der "Withings Pulse" bleibt bei der Aufforderung "place finger" hängen. Obwohl ich den Finger auf den optischen Sensor auflege, beginnt das Gerät nicht mit der Messung. Es dauert einige Minuten, ehe wieder Messungen möglich sind; die Ursache für dieses merkwürdige Verhalten konnte ich nicht herausfinden. Es trat auch nie wieder auf.
Häufiger zeigt sich jedoch eine sehr träge Reaktion des "Touchscreens". Diese Trägheit ist auch der Grund, warum ich den Begriff "Touchscreen" immer in Anführungsstriche setze. Denn meiner Meinung nach hat das Display wenig von einem Touchscreen. Es erinnert eher an die ersten Touchscreens, die Apples iPhone Konkurrenz machen wollten und kläglich versagten. Statt einfach nur leicht auf den Bildschirm zu tippen, musste man fast wie bei einer alten mechanischen Schreibmaschine viel Druck ausüben, damit die Berührung erkannt wurde. Ähnlich fühlt es sich beim "Withings Pulse" an. Wenn ich die Pulsemessung starten will, kommt es regelmäßig vor, dass der "Touchscreen" das Tippen auf das Herzsymbol nicht wahrnimmt. Egal, wie oft ich das Herz antippe, kein "place finger" fordert mich auf, durch Auflegen des Fingers auf den Sensor die Pulsmessung zu starten. Irgendwann erlischt der Bildschirm. Und danach erkennt der "Withings Pulse" bei einem neuen Versuch, dass ich das Herzsymbol berührt habe und begrüßt mich mit einem freundlichen "place finger", so als wäre nichts geschehen.
Ein weiteres Problem: Hin und wieder wird die Messung nicht gestartet, obwohl ich den Finger auf Sensor und Leuchtdioden gelegt habe. Es tut sich einfach nichts.
In etwa 5 % bis 10 % der Fälle zeigt der "Withings Pulse" einen deutlich zu hohen Puls. Wenn dieser Fehler auftritt, so erscheint auch immer derselbe, falsche, zu hohe Puls: 154 Schläge meint der "Withing Pulse" gemessen zu haben. Wie das sein soll, nachdem ich 30 Minuten ruhig vor meinem Computer gesessen und nur ein wenig auf der Tastatur getippt oder die Maus bewegt habe, wird wohl ein Geheimnis des "Withings Pulse" bleiben, genauso wie die Frage, warum er bei solchen fehlerhaften Messungen immer 154 Schläge pro Minute anzeigt. Die nächste Messung nur wenige Sekunden später zeigt übrigens wieder die korrekten Werte von 58 bis 68 Schlägen pro Minute.
In den ersten vier Wochen stören mich diese "kleinen" Fehler nicht. Ich sehe darüber hinweg und nutze fleißig den "Withings Pulse". Er wird zu meinem täglichen Begleiter, und ich messe meinen Puls in nahezu jeder Lebenslage. So erkenne ich, wann mein Puls in die Höhe schnellt und was ihn absolut unbeeinflusst lässt.
Doch nach ca. einem Monat zeigt sich das nächste Problem. Ich besorge mir ein neues iPhone und möchte den "Withings Pulse" jetzt mit dem neuen iPhone benutzen. Nur: wie mache ich das? Aus dem sehr kurz gehaltenen "Quick Installation Guide", der dem "Withings Pulse" beigefügt war, geht dies nicht hervor. Auch die Suche auf der Withings-Homepage nach Stichworten wie "neues Smartphone", "Bluetooth" oder "Bluetooth koppeln" bzw. "Bluetooth pairen" führt zunächst nicht zum Erfolg. Irgendwann stolpere ich über einen Punkt, mit dem man den "Withings Pulse" auf die Werkseinstellungen zurücksetzen kann. Da der "Withings Pulse" lediglich über einen Button und einen (schwerfälligen) "Touchscreen" verfügt, ist diese Prozedur ziemlich umständlich. Aber sie sorgt dafür, dass mein "Withings Pulse" endlich bereit ist, mein neues iPhone zu akzeptieren und sich mit diesem zu "pairen".
Doch jetzt verschlechtert sich die Situation zusehends. Die Quote der fehlerhaften Messungen (154 Schläge pro Minute) erhöht sich auf 10 % bis 15 %, was ich als eindeutig zu hoch empfinde. Und nach einer Woche scheint der "Withings Pulse" auf einmal völlig zu spinnen. Zunächst meldet er 154 Schläge pro Minute, nur wenige Sekunden später 45 Schläge pro Minute und noch einmal wenige Sekunden später 136 Schläge pro Minute. Der erste Wert ist definitiv falsch (siehe oben), der zweite unglaubwürdig, da ich gerade flotten Schrittes spazieren gehe. Und der dritte erscheint mir auch noch ein wenig zu hoch, da nach meiner Erfahrung mein Puls bei einem flotten Spaziergang sich in der Regel zwischen 95 und 115 Schlägen pro Minute einpegelt. Wenige Minuten später und immer noch flott durch die Gegend marschierend meldet der "Withings Pulse" 68 Schläge pro Minute. Was soll ich nun glauben? Als ich nach Hause komme, messe ich meinen Blutdruck. Dabei wird auch der Puls angezeigt. 84 Schläge pro Minute. Dieser Wert klingt glaubhaft, da ich die Messung direkt nach dem flotten Spaziergang durchführe.
Vielleicht hilft ein Soft-Reset, den man auslöst, indem man 15 Sekunden lang dein einzigen Button des "Withings Pulse" gedrückt hält. Der Soft-Reset wird ausgeführt. Jetzt heißt es abwarten und sehen, was die nächsten Messungen bringen werden. Wird sich die Genauigkeit (wieder) verbessern? Oder werden die Ergebnisse auf dem schlechten Stand bleiben?
Einen Tag später sieht es nicht viel besser aus. Die Situation ist dieselbe wie am Vortag: Ich marschiere flotten Schrittes durch die Straßen und mache eine erste Messung. 55 Schläge pro Minute zeigt der "Withings Pulse" an. Das kommt mir sehr merkwürdig vor. Ein Griff an mein Handgelenk, um dort meinen Puls zu fühlen, bestätigt das: Mein Herz schlägt deutlich häufiger als einmal pro Minute. Mein Tipp: ca. 2 Schläge pro Sekunde, also ca. 120 Schäge pro Minute. Erneute Messung mit dem "Withings Pulse" nur wenige Sekunden später: 111 Schläge pro Minute. Das passt zu meiner manuellen Messung. Im Moment wäre ich eindeutig besser dran, wenn ich meinen Puls durch Fingerauflegen selbst messen würde. Bei einer Messdauer von 10 Sekunden und einer maximalen Fehlerrate von einem Schlag in 10 Sekunden (es dürfte eher ein halber Schlag auf 10 Sekunden sein), käme ich auf einen möglichen Fehler von 6 Schlägen pro Minute. Und das ist deutlich besser als die Abweichung von über 50 Schlägen pro Minute zwischen zwei Messungen mit dem "Withings Pulse", die nur wenige Sekunden auseinander liegen.
Auch in den nächsten Tagen verbessert sich die Situation nicht. Im Gegenteil! Es wird schlechter. Die Messungen mit dem Wert 154 treten jetzt in ca. 40 % bis 50 % aller Messungen auf. Wenn ich den "Withings Pulse" längere Zeit am Körper getragen habe und dann meinen Puls messen will, zeigt die erste Messung fast immer den Wert 154 an. Erst die zweite Messung zeigt einen plausiblen Wert für die Pulsfrequenz an. Das ist nicht mehr tolerierbar und verdirbt mir den Spaß an meinem Gadget.
Der Schlafmodus ist nicht mehr als eine Spielerei und erkennt nicht wirklich, wann man einschläft, leicht oder tief schläft oder wach ist. Obwohl ich letzte Nacht noch mindestens 30 Minuten wach lag, weil mir Dutzende von Gedanken durch den Kopf rasten, meldete der "Withings Pulse" am nächsten Morgen, dass ich binnen einer Minute eingeschlafen bin. Interessant. Genauso interessant eine andere Nacht, in der ich nicht schlafen konnte, aufgestanden bin und etwa drei Stunden Videos geschaut habe. Das hat der "Withings Pulse" als "leichten Schlaf" verbucht. Nun, ich bin mir sicher, dass ich nicht vor dem Fernseher eingeschlafen bin. Bestenfalls erkennt der "Withings Pulse", wann ich mich mehr und wann ich mich weniger bewege. Ob ich hingegen aufstehe und mich bewege, scheint der Sensor nicht sicher zu erkennen.
Fazit
Überwiegend ist der "Withings Pulse" ein mit 99,99 EUR ziemlich teures Spielzeug. Mit dem Pulssensor bietet er zwar eine Funktion, die andere Gadgets wie der Fitbit One oder das Nike Fuelband nicht haben. Da diese Funktion aber eine hohe Fehlerquote aufweist, stellt sie keinen wirklichen Mehrwert gegenüber anderen Gadgets dar, die ebenfalls unsere Bewegungen überwachen und uns zu mehr gesundem Verhalten anspornen wollen. Vielleicht sind dies ja nur Kinderkrankheiten, und Withings behebt die von mir geschilderten Probleme mit einem Firmware- oder Produktupdate. Aber so lange bleibt der "Withings Pulse" ein teures Spielzeug, von dem ich mir mehr erwartet hatte.